Die Partnerschaft ist vielfältig

Die „weit gereisten Bücher“

Werner Stettner war seit Ende der 80-er Jahre ‚Israelbeauftragter‘ des Kreisjugendringes und zehn Jahre verantwortlich für die Organisation und Durchführung der Jugendaustauschprogramme. Er war ebenso viele Jahrzehnte katholischer Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

Er erzählt wie es zu der Bücheraktion kam: 

Eines der weit gereisten Bücher

 „1992 war ich mit einer Jugendgruppe zu einem Austauschbesuch in Israel. Während eines Seminars erzählte ein Referendar von der Universität Haifa, dass zurzeit tonnenweise deutsche Bücher weggeworfen würden. 

Diese Bücher hatten aus Deutschland stammende Juden, die vor den Nazis flohen oder von ihnen vertrieben wurden unter großen Mühen und Kosten mit in eine ungewisse Zukunft genommen. Nur eines war gewiss: auf deutsche Kultur wollten und konnten sie nicht verzichten. Nun waren schon viele dieser Menschen verstorben, ihre Nachkommen sprachen vielleicht noch deutsch, konnten aber die Schrift nicht mehr lesen.

Noch während der Austauschmaßnahme entwickelten unsere Partner in Israel und ich eine Idee zur Rettung dieser Bücher. Mitglieder des Austauschkomitees im Partnerkreis Emek Hefer suchten deutschstämmige Familien auf und erbaten, wenn möglich, solche Bücher. Die landwirtschaftliche Exportorganisation unseres Partnerkreises, AGREXCO, übernahm den kostenlosen Transport zum Flughafen Köln. Zwei Siegener Archivare sichteten den Fundus unentgeltlich und preisten die Bücher aus. Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit startete am 10. Mai 1993, dem 60. Jahrestag der Bücherverbrennung, eine öffentliche Verkaufsaktion. Der Erlös floss nach Israel zurück und wurde für zusätzliche Integrationsmaßnahmen russischer Einwanderer verwendet.“

Angegilbtes Buch aus dem Verkauf von 1993

Die Bücher der einstigen jüdischen Mitbürger vor 1945, kehren zurück nach Deutschland und verbinden sich mit der Erinnerungskultur an die Vernichtung der Bücher von jüdischen Schriftsteller*innen. Die Vernichtung von Büchern, als Ausdruck von Kultur, macht exemplarisch den Verlust deutlich, den die Ermordung des europäischen Judentums darstellt.

Die Bücher kehren nach Deutschland zurück, die ermordeten Menschen können es nicht mehr. Die Bücher werden verkauft und tragen so wieder zur Kultur bei. Der Erlös kommt jüdischen Migranten in Israel zugute. Viel mehr kann man mit einer Aktion nicht erreichen. Im kommenden Jahr werden Werner Stettner und Marlies Obier zu der Bücheraktion von 1992 eine Ausstellung mit Veranstaltungen erstellen.

Eine Liste der durch das NS-Regime verbotene Autoren finden Sie hier.

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